Unconscious Bias at Work?! – Wie unbewusste Vorannahmen unseren Arbeitsalltag bestimmen und wie wir damit umgehen können

Unbewusste Vorurteile (be-) treffen uns alle – „If you have a brain, you have a bias“. Aber wo genau hat Unconscious Bias Auswirkungen auf unseren Arbeitsalltag am KIT und welche Strategien können Problemen vorbeugen?

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Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman beschreibt in seinem Buch „Thinking, fast and slow“, wie unser Gehirn die Menge an Informationen verarbeitet, die jeden Moment darauf einprasseln: zum allergrößten Teil (ca. zu 95%) UNBEWUSST! Das Denksystem 2 nennt er dies; das schnelle, effiziente, unbewusste Denken, auf das unser Gehirn größtenteils zurückgreift, um reaktionsfähig zu bleiben. Unser Unterbewusstsein ist nun aber alles andere als objektiv (was uns gerade in Forschungskontexten vielleicht Kopfschmerzen bereitet, haben wir dies doch als eines der wichtigsten Gütekriterien wissenschaftlichen Arbeitens zu Recht definiert). Unser Unterbewusstsein greift auf bekannte Muster und Informationen, auf unsere gedanklichen Schubladen zurück, um die Welt zu erschließen und verstehen zu können. Im Kleinkindalter werden diese Schubladen durch die Sozialisation (Werte, Regeln, Kultur, Religion, Bildungssystem, Bezugspersonen, usw.) angelegt und von da an immer weiter verfestigt. Durch Kriterien wie Vorwissen, Wiederholung und Relevanz manifestieren wir im Laufe der Zeit unsere mentalen Schubladen immer weiter – und verstärken unbewusste Vorannahmen („unconscious bias“).

Was ist ein Unconscious Bias?

Unter „Bias“ ist eine kognitive Wahrnehmungsverzerrung oder auch ein Denkfehler zu verstehen, welcher bewusst oder unbewusst in verschiedenen Situationen des Alltags und Berufs auftreten kann. Alle Menschen haben Biases, unabhängig von Bildungsstand, Herkunft, Alter usw. und sie sind grundsätzlich notwendig, um die Komplexität unserer Umwelt zu reduzieren. Unbewusst nutzen wir mentale Abkürzungen (das „Schubladendenken“), mit welchen wir fehlende Informationen über einen Sachverhalt oder eine Person automatisch ergänzen. Dadurch sind uns beispielsweise Menschen, die uns ähnlich sind, automatisch sympathischer, während uns Fremdes und Ungewohntes hingegen eher suspekt ist.

Arten von Biases

Eins vorweg: es gibt Unmengen verschiedener Biases und es werden nach wie vor neue Heuristiken, auf welche unser Gehirn zur Informationsverarbeitung zurückgreift, entdeckt. Wir beziehen uns hier insbesondere auf individuelle Biases, d.h. unbewusste Voreingenommenheit von Personen gegenüber Informationen oder anderen Menschen.

Beispiele für personenbezogene Biases sind u.a. der Namens-Bias, der Halo Effekt, Gender Bias und Kultur-Bias – sie alle haben gemein, dass sie für uns „vorsortieren“ und bei den jeweiligen Triggerpunkten (bestimmter Name, bestimmtes Geschlecht, usw.) unbewusst Rollen-, Verhaltens- und Leistungserwartungen als Maßstab anlegen und unsere Denkmuster entsprechend lenken.

Für die Einschätzung von Informationen sei u.a. der Ankereffekt, die Verfügbarkeitsheuristik oder der Primacy-Recency-Effekt genannt. An bestimmte Informationen können wir uns besser erinnern oder schätzen diese sogar glaubwürdiger ein als andere…

Die wichtigste Erkenntnis mag diejenige sein, welche uns der Blind Spot Bias lehrt: denn obwohl wir glauben, wir selbst seien stets weniger biased als der Durchschnitt der Bevölkerung, so sitzen wir damit doch alle im selben Boot – ein reines Anlesen, Informieren oder Sensibilisieren für das Thema genügt nicht, um Biases in Schach zu halten.

Unconscious Bias im Hochschulkontext

Biases treten in allen Kontexten auf und somit auch an Hochschulen. Häufig werden unsere Entscheidungen von Faktoren beeinflusst, die uns selbst nicht bewusst sind und ggf. durch „Unconscious Bias“ hervorgerufen werden. Zu solchen Entscheidungen kann es bspw. bei folgenden Aufgaben kommen:

  • Auswahlprozess (u.a. Berufungsverfahren, Personalauswahlgespräche)
  • Personalentwicklung (z.B. in der Nachwuchsförderung)
  • Aufgabenverteilung (insbesondere Delegieren von Aufgaben)
  • Leistungsbewertung (z.B. in mündlichen & schriftlichen Prüfungen, bei Empfehlungsschreiben oder dem Ausstellen von Arbeitszeugnissen)
  • Bewertung von Kompetenzen

Neben den bereits genannten Biases, welche in diesen Situationen greifen können, gibt es auch einige für den wissenschaftlichen Kontext spezifische Biases, wie u.a. der Research Bias und Publication Bias. Generell ist aber wichtig anzumerken, dass Biases unsere täglichen Interaktionen betreffen: in Meetings, bei Einzelgesprächen mit der Vorgesetzten oder dem Kollegen, beim Kennenlernen neuer Personen usw.

Dass diese Biases häufig in einem größeren Zusammenhang stehen, ist offensichtlich: individuelle Biases, welche über lange Zeit von Statusgruppen reproduziert werden, führen zu systemischen und institutionellen Biases, die sich über kurz oder lang zu strukturellen Benachteiligungen entwickeln können (und in der Vergangenheit bereits entwickelt haben), was am Beispiel von Frauen in MINT-Fächern oder Frauen in Führungspositionen sehr leicht ins Auge fällt (Stichwort: Gender Bias).

Was nun? Hinweise zu möglichen Anti-Bias Strategien

Bestimmte Praktiken haben sich in der Vermeidung bzw. Eindämmung von Biases bereits bewährt: Als erstes: Innehalten! Das Entschleunigen von Entscheidungsprozessen trägt dazu bei, dass wir unserem Gehirn signalisieren: wir haben und nehmen uns Zeit (und aktivieren damit das bewusste, langsame Denksystem im Gegenteil zu System 2, siehe oben). Feedback- und Reflexionsprozesse (besonders im divers zusammengesetzten Team) sind hilfreiche Rückmeldungen für Führungskräfte oder Teammitglieder untereinander zu möglichem bias-behafteten Situationen. Feedback ist für Sie selbst besonders wertvoll, wenn es von einer Person kommt, die Ihnen so ganz unähnlich ist (unähnlich i.S.v. zum Beispiel Alter, Herkunft, Bildungsweg, Fachrichtung usw.).

Standardisierte Prozesse für wiederkehrende Aufgaben (u.a. Auswahlverfahren, Einarbeitung, Delegieren von Aufgaben, Einschätzungen, Dokumentationen usw.) inkl. konkreter Kriterienkataloge, die symmetrisch (und im Idealfall mit einem Vier-Augen-Prinzip) angewandt werden, sind zu empfehlen, um einen fairen Rahmen zu schaffen. Der Einsatz von Bias-Beobachterinnen und -beobachtern in Auswahlverfahren ist eine weitere mögliche Maßnahme.

Das Transparent-Machen von Prozessen ist mindestens genauso wichtig, wie die Formalisierung von Prozessen selbst; es trägt dazu bei, dass Rechenschaft abgelegt wird und Entscheidungen nachvollziehbarer werden. Es schafft darüber hinaus Verbindlichkeit und Planbarkeit für die betroffenen Personen (z.B. Team-Mitglieder).

KIT

Unconscious Bias Trainings am KIT:

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